Es ist Ostern, Sonntag und die Sonne lacht. Irgendwie zieht es mich heute nach draußen. Wir beratschlagen kurz wohin es uns heute verschlagen soll und nach kurzer Zeit kristallisiert sich Koblenz als probates Ziel heraus. Die Festung Ehrenbreitstein steht schon lange auf unserer Wunschliste und dieses Stück deutscher Geschichte soll uns heute mal kennenlernen. Wir werden Koblenz per Bahn anfahren, denn die Seilbahn zur Festung ist unweit des Koblenzer Hauptbahnhofs zu finden.
Die Mittelrheinbahn bringt uns in etwas über einer Stunde durch das sonnendurchflutete Rheintal von Mainz nach Koblenz. Vorbei an den alten Burgen und den vielen kleinen Orten vergangener deutscher Weinseeligkeit. Schnell liegt der Rheingau hinter uns; es folgt das Mittelrheintal in nicht weniger rasantem Schritt. Die Erwartung des Reiseziels lässt die Zeit verfliegen und allenfalls der Loreley gelingt es, unsere Aufmerksamkeit für einige Minuten auf sich zu ziehen. Der Bahnhof von Koblenz liegt in der Mittagssonne und begrüßt uns mit der einen Hand, während die andere etwas verschlafen der Siesta nachhängt.
Fort Großfürst Constantin
Kaum dem schläfrigen Zug der Mittelrheinbahn entsprungen entdecken wir direkt hinter dem Koblenzer Hauptbahnhof ein Festungswerk, welches uns einlädt, die Festung Ehrenbreitstein doch noch etwas warten zu lassen. Es ist das Fort Großfürst Constantin, genauer gesagt der Kehlturm desselben, das uns in einladendem Gelb anstrahlt. Wir entschließen uns, den Abstecher zu machen – schließlich ist ja für die Festung noch genug Zeit übrig.
Der Weg führt hinter dem Hauptbahnhof parallel zur Simmerner Straße steil bergan. Auf halber Strecke führt ein Stichweg zum Rheinischen Fastnachtsmuseum, das aber heute geschlossen hat. Wir wandern weiter und entdecken seitlich im Gehölz noch die eine oder andere Schießscharte, Mauerkante oder andere Bauwerksreste, die auf die Ausmaße der ehemaligen Festungsanlage schließen lassen. Nach etwa einer Viertelstunde haben wir den Berg erklommen und nähern uns dem Fort von der rückwärtigen Seite. Wir haben Glück, denn der Zugang zum Fort ist geöffnet. Wir nutzen die Gelegenheit um in den Hof des Forts zu gelangen.
Nach dem Durchschreiten des Torgebäudes öffnet sich gleich der Hof und man sieht – dass man eigentlich recht wenig sieht. Der Hof ist vergleichsweise klein und endet schon nach ca. 40 Metern. Links und rechts zieht sich das Kasemattenkorps – zum Kehlturm hin mit dem alten Bunkereinbau. Der Verein PRO KONSTANTIN e.V. leistet bei der Sanierung großartige Arbeit, allerdings bleibt wie immer viel zu tun übrig. Das heutige Sonnenwetter lässt das Fort erstrahlen und wir genießen den Einblick in das Festungswerk und den Ausblick auf den Rhein und die schräg gegenüber liegende Festung Ehrenbreitstein.
Kulturdenkmal Sachsenstraße
Wir verlassen das Fort wieder und begeben uns in die Stadt. Vor dem Hauptbahnhof angelangt, entschließen wir uns, vor dem Besuch der Feste noch zwei weitere Ziele anzulaufen. Es ist zum Einen die Sachsenstraße, die uns vom Zug aus bereits durch die farbenfrohen Gebäude, den Baustil der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts und nicht zuletzt durch die nur zweigeschossige Bauweise aufgefallen war. Zum Anderen locken die Kaiserin-Augusta-Anlagen am Rhein.
Die Häuser der südlichen Vorstadt sind auch – wie ich gerade herausgefunden habe – Kulturdenkmäler. Ganz ohne das Hintergrundwissen aus Wikipedia erfreuen wir uns beim Durchwandern der Sachsenstraße am Anblick der Gebäude, insbesondere der Ornamente und Schmuckelemente. Es ist zu Bedauern, dass in der heutigen Zeit vergleichsweise schmucklos in Stahl, Glas und Beton gebaut wird. Für diejenigen, die dies ähnlich sehen, hier eine kleine Auswahl an Ansichten, die wir bei unserem Besuch mitgenommen haben.
Okay, die Reklame für Fassbrause knüpft natürlich nur rein farblich an die vorangegangenen architektonischen Betrachtungen an. Das Foto gefällt mir aber und irgendwie gehört es auch hierhin.
Eine Beute ganz anderer Art geht uns am Ende der Sachsenstraße ins photographische Netz. An der Seite eines Geschäftshauses entdecken wir ein kleines Kunstwerk, das wir ebenfalls nicht vorenthalten möchten. Der Friseur, der sein Geschäft im Erdgeschoss des Hauses betreibt nennt sich sinnigerweise „Kunstschnitt“. Es gibt dort an diesem Haus noch mehr zu sehen, aber wir wollen ja noch weiter Richtung Rhein gelangen.
Der Weg durch die südliche Vorstadt ist gespickt mit baulichen Leckerbissen. Die dazwischen befindlichen Zweckbauten der Nachkriegszeit lassen vermuten, welche Schätze den Bomben unserer so geliebten Befreier zum Opfer fielen. Während wir den Markenbildchenweg entlanggehen, genießen wir den Anblick der erhalten gebliebenen und mittlerweile wieder restaurierten Gebäude.
In Höhe des Hotels „Kleiner Riesen“ gelangen wir an den Rhein und die Kaiserin-Augusta-Anlagen. Uns empfängt ein violett-rosa-gefärbter Tulpen-Teppich und der weite Ausblick auf den Rhein.
Kaiserin-Augusta-Anlagen
An dieser Stelle lässt uns ein Biergarten stoppen. Das schöne und sonnenreiche Wetter fordert seinen Tribut, wie wir plötzlich feststellen. Abhilfe schafft man gerne im Biergarten mit einem kühlen Glas frischen Biers.
Das Bierchen genießt man gerne in Ruhe bei einer kleinen Pause. Der Ausblick auf den Rhein und die Schiffe, die in die Sonne hineinfahren, geben einem das Gefühl, dass der Sommer so weit nicht mehr sein kann. Genüsslich lässt man das kühle Nass die Kehle hinunterrinnen und blickt den Rheinschiffen ein wenig verträumt nach.
Wir brechen wieder auf – und haben innerlich ob der vorgerückten Stunde beschlossen, mit dem Besuch des Forts der Bewunderung deutscher Festungsbaukunst genüge getan zu haben. Die Festung Ehrenbreitstein wird nicht davon laufen und an einem anderen Tag noch besucht. Für heute geben wir jetzt erstmal die Sonntagsspazierer und flanieren über die Uferpromenade – wie zahllose andere Koblenzer aller Provenienzen. Die Sonnenstrahlen bahnen sich hin und wieder einen Weg durchs Laub der Bäume und ein laues Lüftchen schafft eine gemütlich genüssliche Urlaubsstimmung.
Koblenzer Weindorf
Ein Stück weiter des Wegs begegnen wir dem einladenden Koblenzer Weindorf. Die malerischen Fachwerkgebäude laden zum Verweilen ein. Ich vergesse, dass ich im Biergarten vorschnell eine Currywurst verdrückt habe und wir beschließen, dem Koblenzer Weindorf einen Besuch abzustatten. Mal schauen, was Küche und Keller zu bieten haben. Von der Verpackung ausgehend sollte der Inhalt nicht zu schlimm sein.
Im Innenhof des Weindorfs sind leider alle Tische belegt oder reserviert – glücklicherweise können wir vor dem Eingang einen schönen schattigen Außentisch (Nr. 530) ergattern. Der Aushang hatte bereits regionale Spezialitäten auf der Speisenkarte angekündigt und auch sehr gute Weine in Aussicht gestellt. Nun denn…
Nach dem Studium der Speisekarte entscheiden wir uns für die Schlachtplatte bzw. Waffel mit Kirschen, Vanilleeis und Sahne. Ich für meinen Teil orderte dazu einen 2012er Weißburgunder. Der Karte zufolge entstammt dieser dem hauseigenen Weinberg, der kleinsten Einzellage Deutschlands vom Weingut Karl Lunnebach. Die Karte verspricht einen körperreichen Weißburgunder, „mit fein nussigem Aroma, das auch leicht an Banane erinnert. Kräftiger und lang anhaltender Geschmack mit sehr weicher Säure. Dicht und komplex im Abgang“. (Zitat) Da wirkt auch der Preis von über fünf Euro angemessen.
Es ist wohl heute recht viel Kundschaft im Lande. Der Kellner Manuel ist sehr geschäftig und bringt schon mal den Senf. Nun gut, die Innenorganisation ist nicht immer die Stärke vortrefflicher Köche. Das Koblenzer Weindorf scheint ein sehr beliebtes Ausflugslokal zu sein. Die gemütliche Stimmung steht den Gästen ins Gesicht geschrieben – den zweibeinigen wie den vierbeinigen.
Es braucht dann doch etwas, bis der Weißburgunder zu uns findet. Wir genießen ein wenig das Ambiente. Das Weindorf ist sehr schön an der Uferpromenade gelegen und bietet vom Tisch Nr. 530 aus auch einen schönen Blick auf den Rhein. Heute ist Kaiserwetter und die Sonne strahlt, was das Zeug hält. Die Schiffchen auf dem Rhein runden das Bild ab. Hach ja, es ist schon schön hier…
Das Weindorf wird auch von weiteren Zweibeinern frequentiert. Für Letztere ist es offensichtlich ein beliebtes Ausflugsziel, bewegen sie sich doch recht ungezwungen auf dem Areal. Das Entenpärchen fühlt sich jedenfalls sichtlich wohl.
Schließlich ist es soweit, Manuel bringt den ersehnten Vino. Da steht er nun und wartet darauf, genossen zu werden.
Nun ja, ein wenig mehr habe ich mir schon von ihm versprochen. Von den vollmundigen Ankündigungen keine Spur. Herr Bohlen würde sagen „Der hat ja gar nicht abgeliefert.“ Ich schicke ihn jedenfalls nicht in den Recall. Meine Geschmacksnerven werden nur minimalst getriggert. Er schmeckt einfach … nach Nichts. Von „kräftig“ und „lang anhaltend“ kann da jedenfalls keine Rede sein. Ich spreche Manuel darauf an. Er meint, dass der Wein wohl noch sehr jung sei. Ups! Das war denn wohl doch ein kleiner Faux Pas, aber überzeugend vorgetragen.
Mutig argumentiert er und schlägt mir einen anderen Wein vor. Einen 2012er Riesling Hochgewächs „Moselweißer Hamm“ vom Weingut Josef Reif. Ich bin gespannt.
Nach gut fünfzig Minuten hat auch die Küche ein Einsehen mit uns. Manuel bringt Schlachtplatte und Waffel. Die Waffel stand wohl schon ein wenig länger zum Abholen bereit. Leider hatte er noch recht viel anderes zu tun und auch das sonnige Wetter war wohl doch etwas ungünstig. Auch optisch geht da ein wenig mehr in Deutschlands Küchen.
Die Schlachtplatte hatte wohl auch schon 1-2 Minütchen zur Abholung bereit gestanden, wie an der eingedickten Soßenoberfläche zu erkennen ist. Mutig wie wir sind, haben wir dann das feudale Mahl begonnen. Die Waffel selbst ist recht gut, wie ich mir von meinem Weibe versichern ließ. Vanilleeis & Co. dafür eher durchschnittlich. Na gut, wir sind hier in Mainz auch etwas verwöhnt. Vielleicht liegt es daran.
Meine Schlachtplatte überzeugt mich auch nicht. Dem Sauerkraut ließ man nicht viel Unterstützung zuteil werden. Kaum dass man es aus der Dose gelockt hatte, musste es heiß baden. Das ließ es wohl duldsam über sich ergehen. Badezusätze standen leider auch keine bereit. Es passt von der Geschmacksintensität hervorragend zum Weißburgunder von vorhin. Die Würschtel sind guter Durchschnitt, das Kartoffelpüree leider nicht ganz – der Leberknödel jedoch war wirklich lecker. Wie sich der frisch-freche Leberknödel mit den übrigen faden Gesellen anfreunden konnte, ist mir schleierhaft. Es wirkt wie eine frisch zusammengewürfelte Mannschaft der Regionalliga mit einem einzigen High-Potential. Ach ja, das Sößchen gibts ja auch noch. Das dürfte meinen Geschmacksnerven nach zu urteilen erst heute morgen der Tüte entsprungen sein, bevor es ebenfalls heiß baden musste.
Auf den Servietten des Weindorfs liest sich das ein bisschen besser und sicher liefert die Küche an anderen Tagen besser ab. Vielleicht lässt sich Leidenschaft mit größeren Gastzahlen auch nicht so ganz verbinden. Zur Ehrenrettung muss man sagen, dass die übrigen Gäste nicht unzufrieden wirken.
Wie auch immer, ich entschließe mich, noch eine Käseplatte zu ordern. Ich bitte Manuel auch darum, seine sicher guten Beziehungen zur Küche spielen zu lassen, so dass mein zweiter Wein und die Käseplatte ihr Gastspiel im Duett würden geben können. Es gelingt ihm, wie man hier erkennen kann.
Was wird geboten? Die Käsesorten passen zum Übrigen. Nicht schlecht aber auch nicht herausragend. Geschmacklich erinnern sie mich an die Kollegen aus der Supermarkttheke. Einzig die beiden Frischkäse stechen – weil fruisch und geschmacklich frech und vortrefflich – etwas heraus. Ich habe mich mittlerweile damit abgefunden, dass nicht alle meine Erwartungen erfüllt werden. Verwöhnt von der Mainzer Gastronomie, verlockt vom wunderschönen Ambiente, habe ich mich auf das Abenteuer eingelassen. Auf jeden Fall ist der Aufenthalt sehr angenehm und osterwürdig.
Die Festung Ehrenbreitstein
Wir tragen nun der fortgeschrittenen Zeit Rechnung und bewegen uns bahnhofwärts. Dabei riskieren wir am Brückenkopf der Rheinbrücke noch einen kurzen Blick zur Festung und versichern ihr, den spontan abgesetzten Besuch noch in diesem Jahr nachzuholen. Die Feste winkt herüber und wünscht uns eine gute Heimreise. Und wieder ist es die Mittelrheinbahn, die uns in nur anderthalb Stunden nach Mainz schippert.
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